Hollandgänger
Als
„Hollandgänger“ werden Wanderarbeiter bezeichnet, die aus
wirtschaftlich schwachen Regionen Deutschlands in die Niederlande
zogen, um ihr geringes Einkommen aufzubessern. Die soziale Not trieb
vor allem Menschen aus dem Nordwesten Deutschlands zu dieser Migration.
Aber auch in Ostwestfalen bis hin nach Hannover gab es noch eine
beachtliche Anzahl von Männern, die sich alljährlich auf den Weg
machten. Zu beobachten war diese Art der Wanderarbeit vom Ende des
Dreißigjährigen Krieges bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts.
In der Regel brachen die Hollandgänger in einer gemeinsamen
Wanderbewegung im Frühjahr (nach der eigenen Aussaat) aus ihrer Heimat
zu Fuß auf und nutzten feste Hollandgängerwege, die zu zentralen
Treffpunkten führten. Im Gepäck führten sie einige Werkzeuge (z.B.
Sensen), etwas Kleidung und vor allem Nahrung (Speck, Trockenfleisch,
etc.) mit sich. So sollten die Lebenshaltungskosten im Ausland gering
gehalten werden und einen größtmöglichen Gewinn sichern. Die
mangelhafte und einseitige Ernährung führte nicht selten zu schweren
Erkrankungen.
Die Wanderarbeiter waren in Holland vor allem als Tagelöhner in der
Landwirtschaft beschäftigt, vielfach als Grasmäher oder Torfstecher.
Das Torfstechen galt als die schwerste Arbeit, die allerdings auch am
höchsten bezahlt wurde. Gearbeitet wurde von Sonnenaufgang bis
Sonnenuntergang im Akkord. Andere Hollandgänger arbeiteten als
Seeleute, Ziegler, Deckenhausierer, Heringsfänger und Walfischfänger.
Die Zahl der Hollandgänger zwischen 1690 und 1865 wird auf
durchschnittlich 18000-20000 im Jahr geschätzt.
Die Hollandgänger kamen primär aus den von großer Rückständigkeit und
Armut geprägten Landstrichen Westfalens (vor allem Lipperland,
Münsterland), des Osnabrücker/Mindener und des oldenburgischen Raumes
sowie aus dem Unterwesergebiet. Wenig fruchtbare Geest-, Moor- und
Heidelandschaften warfen in diesen Landstrichen zum Teil nur geringe
Beträge ab, die ländliche Bevölkerung war von drückenden Steuern und
Abgaben geplagt. Eingezwängt in traditionelle ländliche Strukturen kam
es zudem bei relativ hohem Bevölkerungszuwachs kaum noch zur Schaffung
neuer Vollbauernstellen. Als Folge entstand eine zunehmende Zahl von
angesessenen Kleinbauern (Kötner, auch Kötter oder Kätner genannt), vor
allem aber von landarmen Kleinstellenbesitzern (Brinksitzer oder
Brinkkötter) sowie eine stark anwachsen-de, nichtangesessene landlose
Schicht von Heuerlingen, Häuslingen (auch als Einlieger oder Mietsleute
bezeichnet), die nicht zur eigentlichen Dorfgemeinde zählten.
Diese Heuerlinge, Häuslinge und Brinksitzer stellten den Hauptstrom der
Hollandgänger, der allerdings vielfach noch durch (verschuldete)
Kötner, aber auch nichterbberechtigte Söhne von Kleinbauern und sogar
Vollbauern ergänzt wur-de. Das vorherrschende Anerbenrecht ließ eine
Teilung der Höfe nicht zu. Der Besitz ging so auf den erstgeborenen
Sohn über, andere männliche Nachkom-men wurden abgefunden. Nur
vereinzelt schlossen sich Bauern, soweit sie in wirt-schaftliche Not
geraten waren, den Arbeitswanderern an. Angehörige der älteren
Generation gingen allein in Zeiten akuter ökonomischer Krisen auf
Wanderarbeit. In der Regel verdingten sich dazu jüngere Männer. Die
Unverheirateten dieser jungen Männer blieben - wie man aus
holländischen Kirchenbüchern entnehmen kann - nicht selten auch
dauerhaft in Holland und gründeten Familien.
Quellen:
- Hollandgänger,
Sträflinge und Migranten; Horst Rössler, Edition Temmen
- 350 Jahre auf der Suche nach Arbeit in der Fremde, Wanderarbeit
jenseits der Grenze;
Eiynck, A. et al., 1993
- Lucassen, J., Dutch long distance migration: a concise history
1600-1900 in Newcomers.
Immigrants and their Descendents in the
Netherlands 1550-1995, 1991.
- wikipedia.de, die freie enzyklopädie